Sind wir Deutschen faul geworden?

Leistungswillen und die Renaissance des Leistungsgedankens

30.05.2024

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CBE DIGIDEN Sabine Clausecker Member Of The Management Board
Sabine Clausecker

Member of the Executive Board
Sabine.Clausecker@cbe-digiden.de

“Have Germans Forgotten Their Famous Work Ethic?” titelte kürzlich die amerikanische Nachrichtenagentur Bloomberg und meinte gute Gründe dafür zu haben, die Arbeitsmoral in unserem Land zu kritisieren. Tatsächlich beschäftigt das Thema ‚Arbeitsleistung‘ mehr und mehr die Gemüter der Deutschen, der Politik und der Wirtschaft. Denn letztere stockt seit mehr als einem Jahr und keine positive Entwicklung ist in Sicht.

Das Thema spaltet die Generationen: Die einen (Gen Z) sehen Arbeit längst nicht mehr als zentralen Lebensbestandteil ihres Lebens, die anderen (Baby Boomers und älter) finden, dass die Jungen faul sind. Und die Generationen X und Y positionieren sich irgendwo dazwischen. Es wird über Arbeitszeitverkürzungen, steuerfreie Überstunden und der Solidarität unter den Berufsgruppen gesprochen. Wie aber sehen die Zahlen aus?

Laut Datenanalyse von Statista/Fokus (Vergleich Daten 1991 und 2021) arbeiten wir Deutschen in Wahrheit mehr und produktiver als früher. Zwar ist die durchschnittliche Arbeitszeit deutscher Beschäftigter seit 1991 um ca. 14 Prozent gesunken, seit 1970 sogar um rund 25 Prozent. Weil Angestellte pro Stunde heute aber deutlich mehr schaffen als vor 30 Jahren, stieg ihre Produktivität seit 1991 um rund ein Viertel. Die Produktivität steigt aus vielen Gründen: Technik, Internet, flexibles Arbeiten und ab demnächst auch KI sind nur einige Faktoren.

Rechnet man die Arbeitsstunden aller Menschen in Deutschland zusammen, gleichen sich die Ergebnisse von heute und vor 30 Jahren: 2021 und 1991 leisteten alle Erwerbstätigen in Deutschland jeweils etwas mehr als 60 Milliarden Arbeitsstunden. Weniger Menschen im arbeitsfähigen Alter bei gleicher Zahl der Gesamt-Arbeitsstunden: Der Durchschnittsbürger zwischen 20 und 66 Jahren arbeitet heute also länger als vor drei Jahrzehnten. Das liegt unter anderem an der längeren Lebensarbeitszeit.

Carsten Maschmeyer, AWD-Gründer und Investor, hat sich kürzlich in diese Diskussion eingemischt. In einem Instagram-Post schildert er seine Ansichten zum Thema Arbeitszeit. Er schreibt unter anderem „Wer Arbeitsleistung rein in geleisteten Arbeitsstunden misst, lebt wirklich im letzten Jahrhundert. Denn Ergebnisse zählen und nicht die abgesessene Arbeitszeit.“ Forderungen nach erhöhter Arbeitszeit bezeichnet der 64-Jährige als „Scheindebatten, die am Kernproblem vorbeigehen. Wir brauchen etwas ganz Anderes: Leistungswillen und die Renaissance des Leistungsgedankens. Nicht die Zeit finanziert unseren Wohlstand, sondern Erfolg.“

Das scheint mir ein interessanter Impuls, auch wenn er nicht auf alle Berufsgruppen anwendbar ist und Zeit natürlich auch eine Rolle spielt. Dennoch: Work Ehtics meint die (positive) Einstellung und Ambition der Menschen zur Arbeit und die sorgfältige Ausübung und Wertschätzung ihres Berufs. Die ist uns in vielen Bereichen verloren gegangen. Das ist nicht nur schade, sondern schädlich. Denn selbstverständlich kann Arbeit eine Bereicherung des eigenen Lebens sein, in dem soziale Kontakte und Anerkennung, die Entwicklung der eigenen Persönlichkeit und der eigenen Fähigkeiten sowie das Erreichen von Zielen uns zufrieden stellen. Schulen, Universitäten, Unternehmen und Organisationen brauchen eine positive Leistungskultur und Vorbilder dafür. Es ist an der Zeit, dass das Thema auf die Agenda der Politik und Wirtschaft kommt.  Und es ist an der Zeit, dass wir alle gemeinsam dringend daran arbeiten, „The Famous German Work Ethic“ wiederzubeleben.