Nachhaltigkeitskommunikation in Unternehmen: „Kommunikation ist entscheidend.“

Prof. Dr. Anabel Ternès
Prof. Dr. Anabel Ternès

„Kommunikation ist entscheidend für wirkliche Nachhaltigkeit.“

02.06.2023

Nachhaltigkeitskommunikation in Unternehmen: Was sind die wichtigsten Leitfragen und was die ersten Schritte auf dem Weg zu einem nachhaltigen Unternehmen? Warum Kommunikation dabei zentral ist, welche Fehler Unternehmen vermeiden sollten und welche vielfältigen Gewinne auf Sie warten.

Darüber sprachen wir mit Prof. Dr. Anabel Ternès*, einer führenden Expertin für Nachhaltigkeit und Digitalisierung.

Frau Prof. Ternès, Sie beschäftigen sich seit mehr als 10 Jahren mit Ausprägungen von Nachhaltigkeit und verschiedenen Schnittstellen dazu. Digitalisierung, Diversity, Leadership, um nur einige zu nennen. Was sind für Unternehmen derzeit die relevantesten Fragen im Bereich Nachhaltigkeit?

Vielen Dank für Ihre Frage. Aus meiner langjährigen Beschäftigung mit Nachhaltigkeit und den verschiedenen Facetten dazu kann ich sagen, dass Unternehmen derzeit mit einer Vielzahl von relevanten Fragen im Bereich Nachhaltigkeit konfrontiert sind. Einige der wichtigsten Fragen, die sich Unternehmen stellen, sind:

  1. Wie können wir unsere Geschäftsmodelle anpassen, um nachhaltige Praktiken zu integrieren? Unternehmen fangen an zu erkennen, dass Nachhaltigkeit nicht nur eine ethische Verpflichtung ist, sondern auch eine Chance bietet, Innovationen voranzutreiben und neue Märkte zu erschließen.
  2. Wie können wir unsere Lieferketten nachhaltiger gestalten? Unternehmen beginnen, die Auswirkungen ihrer Lieferketten auf Umwelt, Menschenrechte und soziale Gerechtigkeit zu verstehen und ergreifen Maßnahmen, um diese zu verbessern.
  3. Wie können wir Energie- und Ressourceneffizienz steigern? Unternehmen suchen nach Möglichkeiten, ihren Energieverbrauch zu reduzieren, erneuerbare Energiequellen zu nutzen und ihre Ressourcennutzung zu optimieren, um ökologische Fußabdrücke zu verringern.
  4. Wie können wir transparente und verantwortungsvolle Berichterstattung über Nachhaltigkeitsleistungen gewährleisten? Unternehmen beginnen zu verstehen: Wir benötigen eine klare Kommunikationsstrategie, um Stakeholder über unsere Nachhaltigkeitsziele und -fortschritte zu informieren und vertrauenswürdige Berichterstattungssysteme einzuführen.
  5. Wie können wir MitarbeiterInnen einbinden und ihr Bewusstsein für Nachhaltigkeit schärfen? Unternehmen verstehen zunehmend: Es braucht Schulungen und Programme, um das Verständnis und Engagement der MitarbeiterInnen für nachhaltiges Handeln zu fördern und sie als Treiber des Wandels einzubeziehen.

Diese Fragen sind nur ein Auszug aus den vielen Aspekten der Nachhaltigkeit, mit denen Unternehmen derzeit konfrontiert sind. Es ist wichtig, dass Unternehmen ihre individuellen Herausforderungen analysieren und Maßnahmen ergreifen, um eine umfassende, nachhaltige Entwicklung zu fördern. Ich sehe aktuell viele Unternehmen, die erst am Anfang dieses Wegs sind. Die Auswirkungen der Pandemie und die Energiekrise haben viele gebeutelt. Nun eine Transformation zu schaffen – damit tun sich viele Unternehmen schwer.

Welche Aufgabe kommt der Kommunikation im Zusammenhang mit Nachhaltigkeit zu? Was müssen Unternehmen kommunikativ leisten?

Kommunikation ist entscheidend für wirkliche Nachhaltigkeit. Unternehmen müssen transparent über ihre Ziele, Maßnahmen und Ergebnisse berichten, um Vertrauen aufzubauen. Dies umfasst die Verarbeitung von Informationen über umweltbewusste Praktiken, soziale Verantwortung und wirtschaftliche Nachhaltigkeit. Unternehmen sollten Kommunikationsstrategien nutzen, um das Bewusstsein für Nachhaltigkeit zu schärfen und Verbraucherverhalten positiv zu beeinflussen. Transparenz, Offenheit und Dialog mit Stakeholdern sind ebenfalls wichtig. Durch authentische und engagierte Kommunikation können Unternehmen positive Impulse setzen und den sozialen und ökologischen Wandel vorantreiben. Das allerdings hilft auch nur dann nachhaltig, wenn die Kanäle und die Tonalität stimmen. Storytelling ist immer eine gute Wahl, wenn es darum geht, alle Mitarbeitende niederschwellig für ein Thema einzunehmen, zu informieren und zu begeistern.

Gefühlt kann bei Kommunikation immer etwas schief gehen. Was sind do’s and don’ts in der Nachhaltigkeitskommunikation von Unternehmen?

Was ich den Unternehmen rate:

Do’s:

  1. Seien Sie transparent: Offenheit und Ehrlichkeit sind unerlässlich, um das Vertrauen der Stakeholder zu gewinnen. Teilen Sie Informationen über Ihre Nachhaltigkeitsbemühungen und -ergebnisse klar und verständlich mit.
  2. Kennen Sie Ihre Zielgruppen: Verstehen Sie die Bedürfnisse, Werte und Interessen aller Ihrer Zielgruppen. Passen Sie Ihre Kommunikationsstrategie entsprechend an, um eine relevante und ansprechende Botschaft zu vermitteln. Arbeiten Sie dazu mit Personas.
  3. Verwenden Sie klare und verständliche Sprache: Vermeiden Sie Fachjargon und komplexe Terminologie. Verwenden Sie stattdessen eine einfache Sprache, um sicherzustellen, dass Ihre Botschaften für alle verständlich sind.
  4. Engagieren Sie sich mit Stakeholdern: Bauen Sie eine aktive Beziehung zu Ihren Stakeholdern auf, indem Sie sie einbeziehen, ihnen die Möglichkeit geben, sich zu äußern und Teil der Produktion zu werden. Nehmen Sie Feedback ernst und nutzen Sie es, um Ihre Nachhaltigkeitsbemühungen kontinuierlich zu verbessern.

Don’ts:

  1. Greenwashing: Vermeiden Sie irreführende oder übertriebene Aussagen über Ihre Nachhaltigkeitspraktiken. Bleiben Sie ehrlich und transparent, bleiben Sie glaubwürdig.
  2. Einseitige Kommunikation: Stellen Sie sicher, dass Ihre Nachhaltigkeitskommunikation nicht nur darauf abzielt, Ihre eigenen Erfolge zu präsentieren, sondern auch auf die Anliegen und Bedürfnisse Ihrer Stakeholder eingeht.
  3. Überforderung mit Informationen: Präsentieren Sie Ihre Nachhaltigkeitsinformationen klar und prägnant. Vermeiden Sie die Überlastung von Stakeholdern mit zu vielen technischen Details, um eine gute Verständlichkeit zu gewährleisten.
  4. Kommunikation als Einmalevent: Betrachten Sie Nachhaltigkeitskommunikation nicht als einmalige Aufgabe. Es ist wichtig, einen Dialog aufrechtzuerhalten und regelmäßig zu kommunizieren, um Transparenz und Vertrauen zu fördern.

Wer mutig ist und kommuniziert, sollte auch belohnt werden. Welchen Gewinn sehen Sie für ein Unternehmen, das sich ernsthaft nachhaltig transformiert/ transformieren will und darüber transparent spricht?

Eine mutige und kommunikative Herangehensweise zur nachhaltigen Transformation eines Unternehmens bringt vielfältige Gewinne. Transparente Kommunikation über Nachhaltigkeitsbemühungen stärkt das Ansehen bei PartnerInnen, KundInnen, potenziellen BewerberInnen, unter den Mitarbeitenden und in der Gesellschaft. Dies gewinnt Vertrauen und öffnet neue Segmente. Zudem bietet es einen differenzierenden Markenvorteil, öffnet den Zugang zu nachhaltigen Förderprogrammen und verbessert die Reputation, was zudem finanzielle Vorteile bringen kann. Intern fördert es die Motivation, das Engagement und eine positive Unternehmenskultur. Insgesamt kann eine nachhaltige Transformation zu internen und externen Gewinnen führen.

Also sollten alle Unternehmen schnellstens damit beginnen, mehr über Nachhaltigkeit und ihren eigenen Weg zu sprechen. Was würden Sie einem Unternehmen als ersten Schritt für die Nachhaltigkeitskommunikation empfehlen?

Für eine effektive Nachhaltigkeitskommunikation empfehle ich einem Unternehmen folgende Schritte:

  1. Entwicklung einer klaren und umfassenden Nachhaltigkeitsstrategie, die Umweltauswirkungen und soziale Herausforderungen identifiziert und konkrete Ziele und Maßnahmen zur Verbesserung der Nachhaltigkeitsleistung festlegt.
  2. Regelmäßige und transparente Kommunikation der Fortschritte und Erfolge, z. B. durch Nachhaltigkeitsberichte, Teilnahme an Branchenveranstaltungen, Nutzung von Social-Media-Kanälen und Integration von Nachhaltigkeitsbotschaften in die Unternehmenskommunikation.
  3. Ehrliche und glaubwürdige Kommunikation, die sowohl Erfolge als auch Herausforderungen anspricht und den Dialog mit Stakeholdern fördert, um wertvolles Feedback zu erhalten und die Nachhaltigkeitsbemühungen weiter zu verbessern.
  4. Einen ganzheitlichen Ansatz mit klar definierten Botschaften, Nutzung relevanter Kommunikationskanäle und aktiver Einbeziehung der Stakeholder, um das Engagement für Nachhaltigkeit zu demonstrieren und langfristige Veränderungen herbeizuführen.

 

Das Interview führte Fabian Fastaband.

* Prof. Dr. Anabel Ternès von Hattburg gilt als eine der führenden Köpfe für Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Die mehrfache Gründerin, Keynotespeakerin und Autorin hält als Zukunftsforscherin eine Professur für Kommunikationsmanagement und ist geschäftsführende Direktorin des Berliner SRH-Instituts für Nachhaltiges Management.