Interview zum Thema „Veränderung der Rolle des CEOs in der Livekommunikation“

Bei virtuellen Formaten ohne Blick ins Publikum ist der Einsatz von Humor fast unmöglich.

13.07.2022

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Yvonne Sobolik Head of Consulting live+virtual communication
Yvonne Sobolik

Head of live+virtual communication
Yvonne.Sobolik@cbe-digiden.de

Wir haben mit Joachim Hirzel gesprochen, der für Daimler Truck Holding AG im Bereich Executive Communications tätig und in dieser Funktion auch für die inhaltliche Ausgestaltung der Rede des Vorstandvorsitzenden Martin Daum verantwortlich ist.

Welche Veränderung in der Rolle des CEOs in der live-Kommunikation sehen Sie in den letzten Jahren?

Wie wir alle wissen, war die jüngste Vergangenheit reich an Herausforderungen. Denken Sie nur an die Corona-Pandemie, den Krieg in der Ukraine, die angespannten Lieferketten, die steigende Inflation und nicht zuletzt den Klimawandel. In so einem Umfeld ist eines wichtiger denn je: Dass die Stakeholder eines Unternehmens dem CEO vertrauen, dass er in dieser Situation der Richtige ist und die Dinge im Griff hat. Das kann der CEO erreichen, indem er in seiner live-Kommunikation diese Herausforderungen aktiv anspricht und einordnet. Indem er daraus konkrete Maßnahmen für sein Unternehmen ableitet und diese transparent macht. Und indem er bei all dem authentisch bleibt und sich nicht überinszeniert, sondern so, wie es zu seiner Persönlichkeit passt.

Der Rede des CEO auf der virtuellen HV fehlt der Kontakt zum Publikum, direktes Feedback, wie Kopfnicken oder fragende Blicken, fallen weg. Wirkt sich das auch auf Ihre Tätigkeit aus bzw. wie gehen Sie damit um?

Generell gilt sicherlich, dass es für einen Redner immer schöner ist, während der Rede in die Gesichter der Zuhörer schauen und ihr direktes Feedback zu bekommen. Bei der Vorbereitung einer Rede macht das indes keinen Unterschied. Hier kommt es bei virtuellen und analogen Veranstaltungen gleichermaßen darauf an, von der Zielgruppe her zu denken und im Vorfeld zu erahnen, welche Botschaften und Tonlage angebracht sind – und welche nicht. Eine Einschränkung gibt es dabei: Der Einsatz von Humor ist bei virtuellen Formaten ohne Blick ins Publikum fast unmöglich. Bei Hauptversammlungen ist Humor jedoch ohnehin ein eher seltenes Stilmittel.

Hauptversammlungen unterliegen strengen Vorgaben und Regeln. Wieviel Platz bleibt da für Rhetorik und Inszenierung?

Kurz gesagt: genügend. Es ist völlig richtig, dass es bei Hauptversammlungen viele Pflichtinhalte gibt. Aber es gibt auch die Möglichkeit, diese Pflicht-Botschaften um Kür-Botschaften zu ergänzen, zum Beispiel – siehe oben – zur Einordnung der geopolitischen Großwetterlage.

Für beide Zutaten, Pflicht und Kür, gilt darüber hinaus, dass man sie handwerklich sehr unterschiedlich aufbereiten kann: nämlich mehr oder weniger ansprechend, verständlich und prägnant. Es gibt also auch bei Hauptversammlungen reichlich Gestaltungsmöglichkeiten – nicht nur beim Text, sondern auch bei der Visualisierung.

Wirkt sich der „Ausflug“ in die virtuelle Welt auf die Umsetzung zukünftiger analoger HVs aus?

Ein konkreter Punkt, bei dem man hier vielleicht etwas übernehmen sollte, ist die Redelänge. Bei virtuellen Veranstaltungen ist verstanden, dass Reden nicht länger als 30 Minuten dauern sollten. Zwanzig Minuten sind im Zweifel noch empfehlenswerter. Das ist auch für analoge Veranstaltungen eine gute Größenordnung. Denn auch ein Präsenz-Publikum ist bei überlangen Redebeiträgen oft nur noch physisch anwesend.

Das Gespräch führte Yvonne Sobolik.