Digitale Barrierefreiheit: Änderungen der BITV 2025

Änderungen der BITV 2025 und Auswirkungen auf die digitale Barrierefreiheit

18.02.2025

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Christian Klar Head of digital communication
Christian Klar

Head of digital communication
Christian.Klar@cbe-digiden.de

Fee Strowitzki – Project Manager, digital communication
Fee Strowitzki

Junior Project Manager
Fee.Strowitzki@cbe-digiden.de

Inhaltsverzeichnis

Die Änderungen der Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung (BITV), die am 25.06.2025 in Kraft treten, setzen neue Standards für die digitale Barrierefreiheit. Die Verordnung baut auf der EU-Richtlinie 2016/2102 und dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) auf und erweitert die bestehenden Vorgaben erheblich. Ziel ist es, die Zugänglichkeit digitaler Angebote für alle Menschen, einschließlich Personen mit Behinderungen, sicherzustellen.

Das Gesetz basiert auf den Web Content Accessibility Guidelines 2.1 AA (kurz: WCAG), die die Standards für barrierefreies Webdesign festlegen. Sie sind eine Sammlung von Prinzipien, Richtlinien und Kriterien, mit denen sich die Barrierefreiheit einer Website und auch von Apps überprüfen lassen.
Die Erfolgskriterien sind in drei Stufen aufgeteilt:

  1. Die niedrigste Stufe A beschreibt grundlegende Anforderungen, ohne die eine Benutzung der Webite für Menschen mit Behinderung nicht möglich ist.
  2. Die Stufe AA enthält alle Anforderungen, die Websites für die große Mehrheit der Menschen mit Behinderungen zugänglich machen. Um das von der europäischen Norm EN 301 549 (siehe unten) geforderte Level AA zu erreichen, müssen alle Anforderungen der Stufen A und AA erfüllt sein.
  3. In der Stufe AAA sind weitere Anforderungen enthalten, die allerdings teilweise mit erhöhtem Aufwand umzusetzen sind. EN 301 549 verweist auf Version 2.1 der WCAG.

Maßnahmen der Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung

1. Ausweitung der Anwendungsbereiche

  • E-Commerce und digitale Dienstleistungen: Online-Shops, Banking-Apps und digitale Plattformen müssen künftig barrierefrei gestaltet sein, um allen Nutzer*innen eine gleichberechtigte Nutzung zu ermöglichen.
  • Private Anbieter: Neben öffentlichen Institutionen betrifft die Verordnung ab 2025 auch private Anbieter, insbesondere in den Bereichen Verkehr, Telekommunikation und Finanzdienstleistungen.

2. Einführung harmonisierter Normen

Die BITV verweist auf die europäische Norm EN 301 549, die spezifische Anforderungen an digitale Barrierefreiheit definiert, u.A.:

  • Bereitstellung alternativer Texte für Bilder,
  • ausreichende Farbkontraste,
  • Bedienbarkeit per Tastatur und Screenreader sowie
  • Inhalte in Leichter Sprache

3. Verpflichtende Barrierefreiheitserklärungen

Websites und Apps müssen eine Barrierefreiheitserklärung enthalten, die:

  • die Einhaltung von Standards inklusive Angabe des Erstellungsdatums dokumentiert,
  • bestehende Barrieren transparent darlegt und
  • Kontaktmöglichkeiten für die Meldung von Barrieren bietet.

4. Kontrolle und Sanktionen

Die Einhaltung der Vorgaben wird durch Marktüberwachungsbehörden geprüft. Verstöße können mit Bußgeldern bis zu 100.000 Euro geahndet werden. Verbraucher*innen oder Organisationen haben zudem das Recht, Barrierefreiheit einzuklagen.

5. Ausnahmen

Unternehmen können sich auf eine unverhältnismäßige Belastung berufen, etwa bei hohen Kosten oder grundlegenden Produktänderungen. Diese Ausnahme muss jedoch dokumentiert und den zuständigen Behörden gemeldet werden.

Website-Betreiber: Wer ist betroffen?

Die neuen Regelungen betreffen öffentliche Einrichtungen und bestimmte private Anbieter. Eine Analyse der Website ist entscheidend, um festzustellen, ob sie den neuen Vorgaben unterliegt.

Betroffene Betreiber

  • Öffentliche Stellen: Websites von Behörden, Universitäten oder kommunalen Einrichtungen müssen barrierefrei sein.
  • Private Anbieter:
    • E-Commerce: Online-Shops und elektronische Plattformen
    • Finanz- und Telekommunikationsdienste: Banken, Versicherungen und Telekommunikationsanbieter
    • Transport: Websites von Fluggesellschaften, Bahnanbietern und Nahverkehrsdiensten
    • Streaming-Dienste: Audiovisuelle Inhalte müssen zugänglich gestaltet sein.

Ausnahmen

  • B2B-Angebote: Dienste, die ausschließlich für andere Unternehmen bereitgestellt werden, sind nicht betroffen.
  • Kleinstunternehmen: Betriebe mit weniger als 10 Mitarbeiter*innen und unter 2 Millionen Euro Umsatz pro Jahr sind ausgenommen.

Rechtliche Konsequenzen bei Nichtbeachtung

Verstöße gegen die Vorgaben können erhebliche Konsequenzen nach sich ziehen, wie zum Beispiel:

  • Bußgelder bis zu 100.000 Euro
  • Rückruf von Produkten oder Dienstleistungen
  • Abmahnungen durch Wettbewerber.

Die neuen Anforderungen bieten Unternehmen und öffentlichen Stellen die Chance, digitale Angebote inklusiv zu gestalten, rechtliche Sicherheit zu erlangen und das Nutzererlebnis für alle zu verbessern.

Anpassung bestehender Websites an die neuen Anforderungen

Um den Vorgaben der BITV 2025 und der EN 301 549 zu entsprechen, sind technische, inhaltliche und gestalterische Anpassungen erforderlich. Die folgenden Maßnahmen nach Kriterien des WCAG sollten dabei berücksichtigt werden.

Zuordnung nach Kriterien der Web Content Accessibility Guidelines (WCAG)

Wahrnehmbarkeit

Die Wahrnehmbarkeit von Webinhalten stellt einen zentralen Grundpfeiler der digitalen Barrierefreiheit dar und gewährleistet, dass Menschen mit unterschiedlichen Fähigkeiten und Einschränkungen uneingeschränkten Zugang zu Informationen und digitalen Dienstleistungen erhalten. In einer zunehmend digitalisierten Welt ist es unerlässlich, Webinhalte so zu gestalten, dass sie für sämtliche Nutzergruppen gleichermaßen zugänglich sind.

Das Prinzip der Wahrnehmbarkeit verfolgt das Ziel, Informationen so bereitzustellen, dass sie unabhängig von visuellen, auditiven, motorischen oder kognitiven Einschränkungen wahrgenommen werden können. Dies erfordert die Implementierung geeigneter Maßnahmen, die sicherstellen, dass digitale Inhalte klar strukturiert, leicht verständlich und ohne Barrieren interpretierbar sind.

Farben und Kontraste

  • Kontrastverhältnisse müssen den lesbaren Standards entsprechen: mindestens 4,5:1 für normale Texte (Level AA) und 7:1 für erhöhte Anforderungen (Level AAA)
  • Große Schrift (ab 18 Punkt oder 14 Punkt fett) ein Kontrastverhältnis von mindestens 3:1 (AA) oder 4,5:1 (AAA) aufweist
  • Die Corporate Colors können verwendet werden, sofern diese die Kontrastanforderungen erfüllen

Schriftart und -größe

  • Die gewählten Schriftarten und -größen müssen leicht lesbar sein

Bildbeschreibungen

  • Informationstragende Bilder müssen mit aussagekräftigen Alt-Texten (1-2 Sätze) versehen werden.
  • Dekorative Bilder sollten als irrelevant für Screenreader markiert werden.
  • Komplexe Inhalte wie Infografiken sollten zusätzlich in Textform bereitgestellt werden, um für alle Nutzer zugänglich zu sein.

Hervorhebungen

  • Links dürfen nicht mehr nur durch Farbe hervorgehoben werden, sondern benötigen zusätzlich einen Stil wie Textunterstreichung oder Fettung, da blinde Menschen allein durch eine farbliche Unterscheidung keinen Link erkennen können.

 Video- und Audioinhalte

  • Alle Videos benötigen Untertitel für hörgeschädigte Nutzer.
  • Videos sollten zusätzlich mit Audiobeschreibungen für visuell eingeschränkte Personen ausgestattet sein.

Bewegung und Animationen

  • Animierte Inhalte wie Slideshows sollten entweder vermieden oder durch manuelle Steuerungsmöglichkeiten ergänzt werden, damit sie Menschen mit kognitiven oder visuellen Beeinträchtigungen nicht überfordern. Alle Steuerelemente müssen klar beschriftet sein und die Option bieten, sie zu deaktivieren.

Robustheit

Der Begriff Robustheit beschreibt die Fähigkeit digitaler Inhalte, Anwendungen oder Technologien, unter verschiedenen Bedingungen und in unterschiedlichen Umgebungen zuverlässig und konsistent zu funktionieren. Ziel ist es, sicherzustellen, dass diese für eine Vielzahl von Nutzern dauerhaft zugänglich bleiben.

Im Bereich barrierefreier Technologien bedeutet Robustheit, dass diese gegenüber variablen technischen Faktoren widerstandsfähig sind. Dazu zählen unter anderem verschiedene Webbrowser, Betriebssysteme, Endgeräte oder assistive Technologien, die von den Nutzern eingesetzt werden. Auf diese Weise wird gewährleistet, dass die Barrierefreiheit einer Websites oder Anwendung unabhängig von der technischen Umgebung des Nutzers erhalten bleibt.

Einhaltung von Webstandards

  • Bestehende Webstandards und Richtlinien der Web Content Accessibility Guidelines (WCAG 2.1) und Web Accessibility Initiative (W3C) müssen eingehalten werden, um die Kompatibilität und Zugänglichkeit der Anwendung oder Websites zu gewährleisten
  • Responsives Webdesign stellt sicher, dass die Websites auch auf mobilen Endgeräten barrierefrei funktioniert, da immer mehr Nutzer mobil auf Websites zugreifen. Das Design wird auf verschiedenen Geräten und Bildschirmgrößen funktionieren

Semantisches HTML

  • Die Verwendung von semantisch korrektem HTML stellt sicher, dass die Websites durch Strukturelemente auch von assistiven Technologien richtig verstanden wird und korrekt vorgelesen werden kann.

Screenreader-Kompatibilität

  • Semantische Informationen für assistive Technologien und Screenreader müssen überall verfügbar sein. Sofern sie nicht über HTML Tags schon vorliegen, ist der Einsatz von ARIA-Rollen und -Attributen essenziell. So werden Bedienbarkeit und Beschreibung der Inhalte für Screenreader-Benutzer*innen verbessert.
  • Tabellenzellen sollten korrekt mit Überschriften und eindeutigen Attributen ausgezeichnet werden, um die Struktur auch für Screenreader verständlich zu machen

Testen mit vielfältigen Technologien

  • Die Inhalte müssen regelmäßig mit ausgewählten Screenreadern getestet werden, um sicherzustellen, dass Texte, Bilder und interaktive Elemente korrekt vorgelesen werden.

Verständlichkeit

Verständlichkeit bedeutet, dass die Informationen, Inhalte und Technologien so gestaltet werden, dass sie für Menschen mit verschiedenen Bedürfnissen und Fähigkeiten leicht verstanden werden können. Die klare Kommunikation durch Verwendung leichter und zugänglicher Sprache, die Vermeidung von Fachbegriffen und die Bereitstellung von klaren Strukturen tragen dazu bei, die Verständlichkeit positiv zu beeinflussen.

Das Ziel der Verständlichkeit liegt darin, Barrieren für Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen, Leseschwierigkeiten, Seh- oder Hörproblemen zu beseitigen und Informationen durch die Integration von Textalternativen leichter zugänglich zu machen.

Leichte Sprache

  • Kerninhalte sollten auch in Leichter Sprache bereitgestellt werden.
  • Fachbegriffe gilt es zu vermeiden.

Textalternativen

  • Bilder, Grafiken und Multimedia Inhalte müssen mit alternativen Texten versehen werden.
  • Die Integration von Funktionen, die Texte vorlesen oder in andere Sprachen übersetzen können, erhöht die Zugänglichkeit enorm.

Eindeutige Linktexte

  • Links beschreiben klar das Ziel oder die Funktion (z. B. „Blogbeitrag lesen“ statt „hier klicken“), um für alle Nutzer verständlich zu sein, auch für Screenreader.
  • Links müssen visuell und durch andere Stile (z. B. Unterstreichung, Farbänderung, Icons) hervorgehoben sein, um auch farbblinden Nutzern zugänglich zu sein.
  • Externe Links sollten durch ein Icon oder einen Hinweis klar erkennbar sein.

Überschriften und Gliederung

  • Eine klare Hierarchie der Überschriften ist für Screenreader notwendige Voraussetzung, um die Texte korrekt interpretieren zu können und hilft dem Betrachter dabei, den Inhalt zu strukturieren und zu verstehen.

Formulare

  • Eingabefelder sollten stets Labels besitzen, die auch von Screenreadern erfasst werden können.
  • Barrierefreie Fehlerhinweise sollten sowohl visuell als auch technisch klar gekennzeichnet werden.
  • Die zum Spam-Schutz eingesetzten CAPTCHAs sollten nicht nur visuell, sollten auch als akustische Alternativen bereitgestellt werden.

Strukturierte Navigation und leichte Bedienbarkeit

  • Die Navigation sollte sowohl mit der Maus als auch vollständig mit der Tastatur bedienbar sein.
  • Menüpunkte sollten ausreichend Abstand haben, und Overlays sichern die Lesbarkeit von Texten auf Bildern.
  • Die Benutzeroberfläche muss durch die Gestaltung einfach bedienbar sein, inklusive aller Formulare, Verlinkungen und Schaltflächen.

Anpassungsfähigkeit

  • Schriftgrößen und Kontraste sollten individuell anpassbar sein, um den Inhalt besser zu verstehen.

Barrierefreie Dokumente

  • Zum Download angebotene PDF-Dokumente müssen mit Strukturinformationen (Tagging) versehen sein.

Bedienbarkeit

Der Begriff Bedienbarkeit beschreibt die Fähigkeit von Produkten, Anwendungen, Websites oder Geräten, von einer vielfältigen Nutzergruppe, einschließlich Menschen mit unterschiedlichen Fähigkeiten und Einschränkungen, einfach und effektiv verwendet zu werden. Eine barrierefreie Bedienbarkeit ist ein wesentlicher Faktor, um sicherzustellen, dass digitale Technologien für alle zugänglich sind.

Dies erfordert die Gestaltung intuitiver und benutzerfreundlicher Benutzeroberflächen. Schaltflächen, Menüs und Funktionen müssen klar strukturiert, leicht auffindbar und einfach zu bedienen sein. Bedienelemente sollten ausreichend groß gestaltet sein, um auch von Menschen mit motorischen Einschränkungen präzise genutzt werden zu können. Zudem sollte die Interaktion auf verschiedenen Wegen möglich sein, etwa durch Tastaturbefehle, Sprachsteuerung oder Touchscreens.

Ein weiterer wichtiger Aspekt der Bedienbarkeit ist die Anpassungsfähigkeit der Benutzeroberfläche. Nutzer sollten in der Lage sein, Textgrößen zu verändern, Farbkontraste anzupassen oder andere individuelle Einstellungen vorzunehmen, um die Bedienung an ihre persönlichen Bedürfnisse anzupassen.

Benutzerfreundlichkeit

  • Die Bedienoberfläche muss benutzerfreundlich gestaltet sein und darf den Nutzer nicht verwirren.

Tastaturnavigation

  • Die vollständige Steuerung der Anwendung oder Websites über die Tastatur muss ermöglicht werden.
  • Auch interaktive Elemente wie Buttons oder Links müssen klar erkennbar und mit alternativen Eingabemethoden problemlos nutzbar sein.

Vergrößerungsoptionen

  • Die Anwendung oder Websites muss die Möglichkeit bieten, Texte, Grafiken und Bedienelemente individuell vergrößern zu können.

Schaltflächen

  • Schaltflächen müssen groß genug sein, das gilt besonders für mobile Ansichten. Endloses Scrollen von Inhalten wird deaktiviert, da Screenreader so niemals das Ende erreichen.

Verwendung von Tools

Zur Prüfung des Designs werden verschiedenen Test-Tools eingesetzt wie z.B. „Color Oracle“ und „Stark“. Diese prüfen visuelle Gestaltungen mit Blick auf die Anforderungen der Barrierefreiheit.

Automatisierte Tools wie „axe“, „WAVE“, und „Lighthouse“ unterstützen die Prüfung der Programmierung. Zusätzlich sind manuelle Tests notwendig, um sicherzustellen, dass die Websites mit der Tastatur und assistiven Technologien zugänglich ist.

Fazit

Für uns bei CBE DIGIDEN ist es ein wichtiges Ziel, dass eine Website den höchsten Standards der digitalen Barrierefreiheit entspricht und für alle Nutzer zugänglich ist. Von der Konzeptionsphase bis hin zur kontinuierlichen Nachbetreuung streben wir an, dass die Websites den aktuell gültigen Anforderungen zur Barrierefreiheit entspricht und allen Nutzern – unabhängig von Einschränkungen – eine optimale Nutzung ermöglicht. Uns geht es dabei nicht nur um die Einhaltung gesetzlicher Anforderungen, sondern um einen ganzheitlich Ansatz zur Benutzerfreundlichen Ansprache einer möglichst breiten Zielgruppe.

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